Sich selbst erleben

Zur Natur von uns Menschen

In unserer menschlichen Natur liegen vielfältige Schätze verborgen. So vieles möchte gesehen werden und sich entfalten dürfen. In jedem Menschen sind zahlreiche Intelligenzen angelegt. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Howard Gardner spricht von acht Intelligenzen: logisch-mathematische, sprachliche, musikalische, räumliche, körperlich-kinästhetische (Bewegungsintelligenz), intrapersonale (sich selbst erkennen und entfalten), interpersonale (soziale Intelligenz) und naturalistische Intelligenz (die Fähigkeit aus der Natur und mit der Natur zu lernen).

 

Die Erlebens- und Gestaltungsvielfalt die aus unseren Sinnen hervorgeht ist bewundernswert. Zusätzlich zu den bekannten Sinnen wie Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Tasten, hat die moderne Neurobiologie weitere Sinne formuliert: Temperatursinn, Gleichgewichstssinn, Eigenwahrnehmung, Schmerzempfindung, viszeraler Sinn und Zeitsinn. Manche Autoren sprechen noch von der inneren Vorstellungskraft als einem menschlichen Sinn und sicherlich könnte man an dieser Stelle auch unsere Fähigkeit, intuitiv zu denken und zu handeln benennen sowie einen Orientierungssinn. Letzterer leidet besonders unter den allgegenwärtigen Navigationshilfen.

 

Bei der Entfaltung unserer menschlichen Natur spielen unsere Emotionen eine große Rolle. Sie sind weit mehr, als ein bloßes Produkt unseres Gehirns. Vielleicht könnte man sie als unsere Beziehungsinstrumente und Beziehungsklänge bezeichnen mit denen wir mit uns selbst, und auch mit unserer Mitwelt in Verbindung sein können. Der renommierte Neurowissenschaftler Antonio Damasio vertritt die Auffassung, dass unsere Gefühle in einer faszinierenden Interaktion zwischen Gehirn und jeder einzelnen Zelle unseres Körpers entstehen und dass unser Gehirn viel eher ein Diener unseres Körpers ist, als umgekehrt. Er widerspricht entschlossen der Idee, dass Menschen nichts weiter seien als Algorithmen und er hält die Natur unserer Gefühle und die Natur unseres Bewusstseins für sehr wichtige und notwendige Forschungsfelder. Auf Youtube gibr es ein sehr sehenswertes Interview (in englisch), das er zu seinem Buch "Im Anfang war das Gefühl" dem ZDF gab. (1)

 

Das kreative Potential eines jeden Menschen, egal ob arm oder reich, egal ob in Afrika oder in Europa, ob in Süd- oder Nordamerika oder sonstwo in der Welt steckt voller Wunder. Wenn man dem Psychologen Abraham Maslow und der modernen Glücksforschung glauben darf, dann braucht ein Mensch relativ wenig materiellen Besitz, um sich im Einklang mit seiner Natur zu entfalten.. Vielmehr kommt es darauf an, sich selbst anzunehmen und lieben zu lernen sowie seine sozialen Kompetenzen, wie  Beziehungsfähigkeit, Kommunikationskultur und Dialogfähigkeit zu entwickeln.  

 

Auf dieser Basis eröffnet sich ein riesiges Potential, das uns Menschen in besonderem Maße auszeichnet: Kooperation in großen Gruppen, Ko-Kreativität und die Fähigkeit, an gemeinsame Werte und Ziele zu glauben. All diese Qualitäten könnten wir in dieser Zeit der zunehmenden gesundheitlichen, ökologischen und technologischen Krisen dringend gebrauchen, um zu lernen, wie wir  im Einklang mit den Naturgesetzen diese Welt zum Wohle des Ganzen um-, und mitgestalten können. 

 

Menschen sind auch unglaublich kreativ im Entwickeln von Werkzeugen. Sei es der spontan aus einem Stück Holz oder Steinen hergestellte Hebel, um schwere Gegenstände zu bewegen, sei es ein Hammer und Meisel um Gegenstände zu bearbeiten, sei es das Rad für den Transport oder seien es moderne Hochleistungscomputer und künstliche Intelligenz.

Werkzeuge und Technologie können uns wunderbar dabei helfen, unser Menschsein zur Blüte zu bringen solange wir nicht den „Bock zum Gärtner“ machen. Im Sinne von Albert Einstein, der sagte: „Der Verstand ist ein guter Diener aber ein schlechter Meister“ könnte man wohl sagen: „Technologie ist ein guter Diener, aber ein schlechter Meister.“

 

In diesem Sinne könnten wir von Geburt an unsere menschlichen Talente, Potentiale, Sinne und Intelligenzen kultivieren und uns auf diesem Weg gerne von Technologien helfen lassen. Dabei ist es sicher hilfreich, achtsam zu sein und zu wissen, dass ein zu viel an Technik auch zu einer BeUNfähigungstechnik werden kann. Selbst in einer hochmodernen Gesellschaft könnten wir uns immer bewusst machen, dass wir Natur SIND und dass Naturbegegnung und Naturschutz gleichzeitig Selbstfürsorge  und Selbstschutz sind.

 

„Es ist das Wichtigste, was wir im Leben lernen können: das eigene Wesen zu finden
und ihm treu zu bleiben. Allein darauf kommt es an, und nur auf diese Weise dienen 
wir der Schöpfung ganz: dass wir begreifen, wer wir selber sind, und den Mut
gewinnen, uns selber zu leben. Denn es gibt Melodien, es gibt Worte, es
gibt Bilder, es gibt Gesänge, die nur in uns, in unserer Seele
schlummern, und es ist die zentrale Aufgabe unseres
Lebens, sie auszusagen und auszusingen. Einzig
zu diesem Zweck sind wir gemacht;
Und keine Aufgabe ist wichtiger,
als herauszufinden, welch ein
Reichtum in uns liegt"

                                                                                 

                                                                               Eugen Drewermann

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(1) https://www.youtube.com/watch?v=x5GFB5NjfYw